Am Pranger? Für Verdachtsberichterstattung gelten besondere Regeln

von Dr. Patricia Cronemeyer


Straftaten gehören zum Zeitgeschehen, über das Medien grundsätzlich berichten dürfen. Die Verdachtsberichterstattung bedient in vielen Fällen das öffentliche Informationsinteresse. Auf der anderen Seite steht der Anspruch der Betroffenen auf den Schutz ihrer Persönlichkeit. 

An welche Spielregeln müssen sich die Medien in solchen Fällen halten? Hier ein Überblick: 


Relevanz:

Der Fall muss „die Öffentlichkeit berühren“. Das gilt beispielsweise bei schwerer Kriminalität oder wenn es sich bei dem mutmaßlichen Täter um eine prominente Person handelt.


Stellungnahme:

Betroffene müssen die Gelegenheit bekommen, sich zu den einzelnen Vorwürfen zu äußern. Wird der Verdacht dabei entkräftet, darf über die Vorwürfe in der Regeln nicht weiter berichtet werden. Die Stellungnahme muss zumindest in ihren wesentlichen Inhalten in die Berichterstattung einfließen. 


Balance:

Die oder der Betroffene darf nicht vorverurteilt oder als Täter dargestellt werden, sondern – wenn überhaupt – nur als Tatverdächtiger. Neben belastenden sind stets auch entlastende Aspekte darzustellen. 


Aktualität:

Die Berichterstattung ist grundsätzlich nicht erlaubt, wenn das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde oder der Verdacht zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht mehr aktuell ist.


Sorgfalt:

Die Medien müssen sehr genau prüfen, ob es einen Mindestbestand an Beweistatsachen für eine Straftat gibt. Eine Strafanzeige, ein Strafantrag oder ein Ermittlungsverfahren reichen dafür regelmäßig nicht aus.  Je schwerer und nachhaltiger sich der Verdacht auf das Ansehen der Betroffenen auswirken kann, umso höher sind die Anforderungen an die Sorgfalt.


Identifizierung:

Einen noch höheren Anspruch an die Sorgfalt müssen die berichterstattenden Medien erfüllen, wenn die Person namentlich genannt oder im Bild dargestellt wird. Hier muss im Vorfeld nachweislich sehr genau geprüft worden sein, ob die Vorwürfe stichhaltig sind und ob das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber dem Recht aus Schutz der Persönlichkeit der Betroffenen überwiegt.


Werden durch unzulässige Verdachtsberichterstattung die Persönlichkeitsrechte verletzt, können die Betroffenen verschiedene Ansprüche gelten machen – das reicht von der Unterlassung über die Gegendarstellung oder Richtigstellung bzw. Widerruf bis zur Geldentschädigung. 


Ein schnelles und konsequentes Eingreifen unter Einsatz der juristischen Handlungsoptionen ist in jedem Fall angeraten, um diskreditierende Berichterstattung zu verhindern. Denn schon der berühmte „Schatten eines Verdachts“ ist dazu angetan, die Reputation nachhaltig zu beschädigen.