Ob Großkonzern, Mittelstand oder Start-up: Immer mehr Top-Managerinnen und -Manager gefallen sich in der Selbstdarstellung auf digitalen Kanälen.
Als „Corporate Influencer“ stellen sie sich als Individuum in den Dienst ihres Unternehmens. Aus kommunikativer Sicht ein kluger strategischer Schachzug – aber leider nicht ohne rechtliche Risiken.
„Wer in der Öffentlichkeit freiwillig Einblick in Privates gewährt, verspielt den Anspruch auf Schutz der Privatsphäre“
Gut gemeint ist nicht gut gemacht – das gilt auch beim digitalen Personal Branding. Einblicke in Persönliches und Privates lassen es menscheln und bedienen das beliebte Storytelling. Nur die wenigsten wissen, welchen Risiken sie sich – und anderen – damit aussetzen können.
Die Privatsphäre von Einzelnen genießt in Deutschland einen sehr hohen juristischen Schutz. Den Anspruch darauf verspielt, wer freiwillig diesen geschützten Bereich verlässt und der Öffentlichkeit Einblicke gibt. Wehrt man sich dann gegen unliebsame Medienberichte, beispielsweise über eine Beziehungs-Affäre, wägen die Gerichte ab, ob eine sogenannte „Selbstöffnung“ vorliegt. Sprich: in welchem Umfang man vorher eine öffentliche Teilhabe an seinem Leben zugelassen oder sogar initiiert hat.
Hier ein kurzer Überblick, wo die Selbstöffnung droht und welche weiteren Stolpersteine beim Personal Branding lauern können:
1. Keine heile Welt inszenieren
Eine verlockende Beweisführung für Nahbarkeit und Empathie tougher Führungskräfte sind glückliche Paarbeziehungen. Das funktioniert meistens auch – solange es mit der Partnerschaft gutgeht. Als Faustregel gilt: Mit der gleichen Intensität, mit der die Beziehung vorher selbst thematisiert wurde, darf über ihr Scheitern berichtet werden. Bill Gates beispielsweise muss sich nach deutschem Recht gefallen lassen, dass über seine außerehelichen Beziehungen spekuliert wird. Zu oft hat er seine harmonische Beziehung mit Melinda auf seinen digitalen Plattformen inszeniert. Dies gilt im Übrigen für alle Widersprüche, die sich hinsichtlich seiner Beteuerungen als Wohltäter und „Saubermann“ in der Öffentlichkeit ergeben. Fehltritte, die dem diametral gegenüberstehen, dürfen aufgezeigt werden – auch wenn sie in die Privatsphäre fallen.
2. Kinder schützen
Die Selbstöffnung betrifft auch den familiären (minderjährigen) Nachwuchs. „Ein Kind muss sich das Handeln der Eltern zurechnen lassen“, sagt die Rechtsprechung. So groß die Versuchung auch sein mag, sich als fürsorgliche Mutter oder Vater im Kreis seiner Lieben zu zeigen – Berichte über die eigenen Kinder sollten auf geschäftlichen Social-Media-Kanälen (und nicht nur da) unbedingt tabu sein. Anderenfalls wird es schwer, sich später beispielsweise gegen ungewollte „Abschüsse“ der Kids durch Paparazzi im Urlaub oder auf Partys zu wehren.
3. Home-Storys richtig planen
Selbst beim Solo-Auftritt sollte zwischen dem „echten“ Privatleben und der digitalen Inszenierung besser eine gewisse Distanz gewahrt bleiben. Die Grenzen zur Selbstöffnung sind fließend und können von Gericht zu Gericht unterschiedlich gezogen werden.
Ein Beispiel: Menschen, die sich in ihrer stylischen Wohnküche präsentieren, gehen ein hohes Risiko ein. Sicherer ist ein Motiv im Garten oder – noch besser – im Park nebenan. Offenbart der gewünschte Blick ins Private auch Vorlieben für Hobbies, politische Einstellungen oder besondere Interessen, dürfen die Medien diese später in anderem Kontext unter Umständen wieder aufgreifen.
4. Bei Bildern Spielregeln beachten
Ein bei Managerinnen und Managern sehr beliebtes Motiv zeigt die Protagonisten beim „Bad in der Menge“, bei ihren öffentlichen oder Firmen-internen Auftritten. Doch Vorsicht: Unter Umständen muss jede gezeigte Person ihre ausdrückliche Einwilligung zur Veröffentlichung geben. Es hält sich leider hartnäckig das Gerücht, dies sei nur bei bis zu fünf Personen der Fall. Das stimmt nicht. Einzige Ausnahmen: Die Menschen sind nicht identifizierbar, sie sind nur „Beiwerk“ oder haben – beispielsweise mit dem Kauf einer Eintrittskarte – eine Abbildung in Kauf genommen.
5. Kennzeichnungspflichten kennen
Gut gemachte Social-Media-Auftritte von Top-Managerinnen und -Managern erreichen nicht selten eine enorme Reichweite, die sich auf Augenhöhe mit den Accounts erfolgreicher Influencer bewegt. Damit unterliegen die Posts unter Umständen auch der Kennzeichnungspflicht für werbliche Beiträge. Häufen sich Abbildungen von bestimmten Restaurants oder Hotels, die die Betrachtenden erkennen (juristisch: zuordnen) können, wird es heikel. Zeigt sich die Person im Rahmen von Personal Branding immer wieder mit Outfits eines bestimmten Labels und gehört diese Marke „zufällig“ zu den Sponsoren des Unternehmens, ist das als Schleichwerbung zu werten. Dasselbe gilt für Produktempfehlungen und -vorstellungen in Kombination mit einem Link auf die Kaufseite.
6. Klare Verantwortlichkeiten schaffen
Juristisch ist die Bewertung der Social-Media-Aktivitäten von Führungspersönlichkeiten in Verbindung mit Unternehmensinteressen kein einfaches Feld. Die Grenzen zwischen privaten Auftritten und Business-Accounts (Impressum-Pflicht!) sind fließend, und auch auf persönlichen Accounts können rechtlich gesehen einzelne Beiträge als kommerziell gelten. Werden private Auftritte genutzt, liegen Verantwortung und Rechte bei den Autoren. Stellt das Unternehmen den Account, übernimmt es damit die Haftung für die Inhalte – also auch für möglicherweise unwahre oder diffamierende Äußerungen.
Richtig kompliziert wird es, wenn sich die Wege trennen – möglicherweise sogar im Unfrieden. Hier hilft nur eins: Schon vor dem ersten Posting, dem ersten Tweet, dem ersten Video gemeinsam festlegen, welche Spielregeln für beide Seiten gelten. Eine vertraglich fixierte Corporate-Social-Media-Guideline hat nicht auf alle Eventualitäten eine Antwort. Sie regelt jedoch die Eckpunkte, benennt klare Verantwortlichkeiten und legt das Procedere für die Zeit „danach“ fest. Eine denkbar gute Ausgangsposition für erfolgreiches Personal Branding – von dem im Idealfall beide Seiten profitieren.
Über die Autorin:
Dr. Patricia Cronemeyer ist Expertin für Presse- und Medienrecht. In ihren Büros in Hamburg und Los Angeles betreut sie Persönlichkeiten aus dem internationalen und nationalen Show-Business, aus Sport, Kultur, Politik und Wirtschaft. Die gebürtige Münchnerin startete ihre Karriere in der Kanzlei von Matthias Prinz und machte sich nach Stationen beim Europäischen Parlament und in der Wirtschaft 2009 mit ihrer eigenen Kanzlei in Hamburg selbstständig. Im April 2022 gründete sie mit Verena Haisch die Kanzlei Cronemeyer Haisch.